Violetta

„Ein Geschenk des Himmels“

Ja, wirklich. Das war sie. Ein Geschenk direkt aus dem Hundehimmel! Ein Geschenk von meiner geliebten Lilla… dieser sanften, zarten Seele, die an meinem 7. Geburtstag in mein Leben tapste und mich fast 12 Jahre lang begleitete… die mir während meiner Kindheit soviel Kraft und Sicherheit gegeben hatte… die mit 8 Jahren die ersten Mammatumoren entwickelt und schließlich doch den Kampf gegen den Krebs verlor hatte, so dass ich sie am 2. August 1991 erlösen musste. Ich werde nie vergessen, wie sie ganz friedlich in meinen Armen lag und mir voller Vertrauen unverwandt in die Augen schaute. Sie wusste, dass ihre Zeit gekommen war und sah ihrem Ende ganz ruhig entgegen. Dadurch gab sie mir die Kraft, diese nicht enden wollenden Minuten durchzustehen… anschließend fiel ich jedoch – ebenso wie der Rest der Familie – in ein tiefes schwarzes Loch der Trauer. Ich vergrub mich in meinem Schmerz und wollte nie nie wieder einen Hund haben. Doch Lilluzza hatte offenbar andere Pläne mit mir…

Die Wochen vergingen, die Tränen versiegten, der Alltagstrott nahm wieder seinen Gang… aber ich fühlte mich leer und unausgefüllt. Wie ein halber Mensch… ein Mensch ohne Hund eben. Und das musste geändert werden! So begann ich also meinen Zug durch diverse Tierheime: auf der Suche nach dem Hund, bei dem es funken sollte… Dann, am 23. September ’91 (dem Tag, an dem Lilla Geburtstag gehabt hätte) führte mich meine Suche in das Tierheim Köln-Zollstock. Und da sah ich ihn: einen etwa drei Monate alten Wicht mit Knopfaugen, der sich mit den Vorderpfötchen auf dem Rücken eines braunen Dobermann-Welpen abstützte, alle TH-Besucher „lautstark“ verbellte und haargenau so aussah wie Lillina in diesem Alter! Na, wenn das mal kein Zeichen war….

Also schnappte ich mir die erstbeste Tierpflegerin, fragte sie nach dem Welpen… und wurde bitter enttäuscht. Die Kleine sei ein Pensionshund und stehe nicht zur Vermittlung. Ich ließ den Kopf hängen und wollte mich schon trollen, als meine Mutter kurzentschlossen auf eine ältere, offenbar ebenfalls zum TH gehörende Dame zustiefelte und unsere Situation schilderte. Dabei zückte sie auch schon einige Fotos, auf denen man sah, wie Lilla mit unserer Katze spielte. „Ja, dann ist ‚Nina‘ genau der richtige Hund für Sie. Die wird später auch mal so aussehen“, sagte die Frau und führte uns ausgerechnet zu der Kleinen, die uns auf Anhieb so gut gefallen hatte!

Kurze Zeit später saßen wir auch schon im Büro des THs, unterschrieben den Übernahmevertrag und so wurde aus „Nina“ – im Andenken an Lilla – eine kleine „Violetta“.

So pflegeleicht ihre Vorgängerin auch gewesen war, so anstrengend war Violetta: hibbelig, eigenständig, stur, zerstörerisch und natürlich nicht stubenrein, was auch noch dadurch verschlimmert wurde, dass sie sich im TH eine Blasen-/Nierenentzündung zugezogen und sowieso keine Kontrolle über ihre Blase hatte, sobald sich sich freute… und dieser Hund freute sich eigentlich ständig!

Mit ihrer verspielten und putzigen Art wickelte Vio nicht nur uns um die Pfote, sondern begeisterte auch so ziemlich jeden, der ihr begegnete…. ob Hund, ob Mensch war dabei völlig egal. Unermüdlich schleppte sie Bälle, Stöckchen, Steinchen, Stofftiere und was sie sonst noch finden konnte heran, um ihre Umwelt zum Spielen zu animieren. Daran hat sich übrigens bis zu ihrem Lebensende relativ wenig geändert.

Selbst „Pussie“, die Katze meiner Eltern, war nicht vor ihr sicher. 🙂 Nach einigen klärenden Worten bzw. Pfotenhieben hatte Vio aber begriffen, wer hier das Sagen hatte und so stand einem harmonischen Zusammenleben von Hund & Katze nichts im Weg. Schon bald verstanden die beiden sich so gut, dass sogar das Pusselchen von sich aus spielerische Attacken startete und sich von dem Welpen quer durch die Wohnung, unter Tische hindurch, über Sessel und Couch hinweg jagen ließ… um nach einem kurzen Blickwechsel den Spieß umzudrehen und ihrerseits den Hund zu jagen.

Neben dem exzessiven Spielen entwickelte Vio eine Leidenschaft für das nasse Element: wenn es regnete, bekam man sie kaum nach Hause, sie fand zielsicher jede Matschpfütze, hopste durch jedes noch so kleine Rinnsal, schwamm unermüdlich durch jeden See, tauchte nach verloren gegangenen Steinen und stürzte sich selbst im tiefsten Winter in Hochwasser führende Flüsse…. so manches Mal waren wir da schon nah dran, uns selber in die Fluten zu werfen, weil Vio zu ertrinken drohte. Als Wasserratte par excellence – mit der sie im nassen Zustand eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit hatte – badete sie natürlich auch gerne: als wir noch bei meinen Eltern lebten, freute sie sich dermaßen auf`s Baden, dass sie nach jedem Spaziergang, auf dem sie sich als Schlammspringer versucht hatte, wie eine Irre durch`s Treppenhaus schlidderte, ins Badezimmer peste und bereits in der Wanne saß, noch bevor ich oben angekommen war und mir die Jacke ausgezogen hatte.

Violetta war ein eigentlich immer fröhlicher, aufgeweckter, verspielter und einfach nur knuffiger Hund, der das typische Stofftier-Image erfüllte und von daher – zu meinem Leidwesen – vor allem bei Kindern sehr gut ankam. Sie wiederum war von Kindern total begeistert, da diese nicht so schnell schlapp machten und viel länger, ausgelassener und geduldiger mit ihr spielten als Erwachsene. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass denen Vios metallisches Kläffen (bei dem schon fast ein Tinnitus drohte) irgendwann doch schwer auf den Senkel ging.

Anderen Hunden gegenüber war Vio nicht immer ganz unproblematisch: sie hatte ihre Pappenheimer, mit denen sie gut klar kam (sprich: sie beschnupperte sie und ignorierte sie dann)…. andere wiederum zogen sich aus unerfindlichen Gründen ihre Antipathie zu und wurden rigoros angegangen. Dabei war es ihr völlig schnuppe, ob sie Männlein oder Weiblein vor sich hatte, einen Welpen oder einen erwachsenen Hund, einen Minihund oder einen Riesen, der zehn Gewichtsklassen über ihr stand. Besonders gut in Erinnerung ist mir der Angriff auf einen Bernhardiner geblieben, der sein Frauchen ziemlich verdattert bis hilflos anschaute, während Vio im dicken Pelz seiner Kehle baumelte. Ihr Glück war wohl immer, dass die wenigsten sie ernst nahmen und es von daher nie zu ernsthaften Raufereien gekommen ist.

Eine etwas ruppige Freundschaft verband Violetta mit Indra, der Bullterrier-Hündin meines jüngeren Bruders. Die kleine Maus (die damals noch eher wie ein Ferkelchen aussah) eroberte unsere Herzen im Sturm, obwohl Bullis schon damals (1994) zu den diskriminierten Hunderassen gehörten und einen entsprechend dubiosen Ruf genossen…. ein Umstand, den wohl niemand verstehen kann, der einen sogenannten „Kampfhund“ live erlebt hat, der sich – wie so viele Nothunde – trotz schlechter Vergangenheit sein gutes Wesen bewahrt hat oder das Glück hatte, aus einer guten Zucht zu stammen und in einer Familie aufzuwachsen, die ihm all das gibt, was auch jeder andere Hund braucht: viel Liebe, ausreichende Sozialkontakte, eine gewaltfreie und doch konsequente Erziehung etc. So wurde selbstverständlich auch aus Indra ein überaus freundlicher, vertrauensvoller und verspielter Zeitgenosse, der uns oft besuchte und mit Violetta durch die Gegend tobte. Dummerweise war sie mindestens genauso überdreht wie Vio, so dass die beiden a) alles um sich herum vergaßen und dabei öfter mal Familienmitglieder und/oder Möbelstücke zu Fall brachten und b) sich gegenseitig immer wieder kleinere Blessuren zufügten… die dicken roten Striemen auf der weißen Bullinase sahen jedenfalls echt erbärmlich aus.

Btw.: Kann es überhaupt etwas Schöneres geben als so eine Bullinase? Dieses dicke, breite, nasse Etwas kann man doch nur knutschen!

Leider musste mein Bruder die Kleine nach knapp 2 Jahren wieder abgeben, weil er mit dem Hund ohne vorherige Genehmigung des Vermieters zu seiner späteren Ehefrau gezogen war und dieser der jungen Familie mit der fristlosen Kündigung gedroht hatte. Wäre es mir damals möglich gewesen, zwei Hunde zu halten, hätte ich Indra nur zu gerne übernommen, doch so blieb meinem Bruder nur die Möglichkeit, das Mädchen wieder zu ihrem Züchter zurückzubringen, der glücklicherweise weiterhin Verantwortung zeigte, sie aufnahm und eine neue Familie für sie fand.

Ihren Status als verwöhnter kleiner Einzelhund musste Vio aufgeben, als wir eines Tages im September ’96 mit einem übergroßen Wurf konfrontiert wurden und – ohne groß darüber nachzudenken – einige der Welpen in einen Einkaufskorb packten, mit nach Hause nahmen und der Kleinen einfach vor die Nase setzten. Da wir Vios Einstellung Hundebabies gegenüber („Lauter kleine Nervensägen!“) nur zu gut kannten, waren wir zugegebenermaßen ein bisschen besorgt, ob das gut gehen würde. Aber es ging gut!

Vielleicht erkannte sie diese kleinen, seltsam riechenden, leise fiependen Fellknäuel ja gar nicht als Hunde, vielleicht war sie einfach nur neugierig zu erfahren, was mal aus diesen komischen Krabbelwesen werden würde, vielleicht taten unsere übertriebenen Lobhudeleien, wenn sie nett zu den Kleinen war,  einfach ihre Wirkung…. ich weiß es nicht… Fakt ist: Vio empfand für die Welpen bald so stark, dass ihr Körperchen klägliche Versuche unternahm, Milch zu produzieren. Da das Säugen aber nicht so recht klappen wollte, beschränkte sie sich schließlich darauf, auf die Welpen aufzupassen, ihnen Nestwärme zu geben und mit ihnen zu spielen…..

Und weil das Viochen so klasse mit den Welpen zurechtkam, hatten wir ihr gegenüber auch kein schlechtes Gewissen, als wir uns dazu entschlossen, einen von ihnen (und zwar Demona) zu behalten. Wir haben diesen Entschluss keinen Tag bereut, denn die beiden bildeten so ein tolles Team, dass es eine wahre Freude war, die beiden im Umgang miteinander zu beobachten. Sie haben sich in all den Jahren nicht ein einziges Mal ernsthaft „gestritten“ und obwohl Demi schon im Alter von 4 Monaten so groß wie ihre Ersatzmama war und nicht aufhören wollte zu wachsen, zweifelte sie Vios Position als Rangältere und Rudelführerin niemals an. Und Vio musste eben diese Position nie nachdrücklich bestärken…. all die kleinen feinen Signale, die sie Demi sendete und die wir Menschen in all ihrer Komplexität wohl gar nicht bemerkten, reichten vollkommen aus.

Wie man auf dem folgenden Bild unschwer erkennen kann, hatte Demi anscheinend einen recht guten Einfluss auf Vio, denn die Kleine wurde im Verlauf ihres Zusammenlebens immer umgänglicher und toleranter. Na ja… vielleicht lag es ja auch am zunehmenden Alter. Who knows. 😉

Unser Wischelchen hätte jedenfalls glücklich und zufrieden leben können, wenn sich denn nicht einige gesundheitliche Problematiken eingestellt hätten. Als Violetta gerade mal 4 Jahre alt war, holte uns das Schreckgespenst „Krebs“ wieder ein… ein Knoten am Milchgesäuge. Der TA fackelte nicht lange und entfernte den Mammatumor, der sich glücklicherweise als gutartige Neoplasie herausstellte. Doch wir hatten uns zu früh gefreut: schon bald konnten wir überall kleine Knubbel unter der Haut fühlen und/oder sehen. Da diese jedoch bei jeder Läufigkeit und jeder Scheinträchtigkeit größer wurden, um anschließend wieder an Umfang zu verlieren, ließen wir uns von unserem damaligen TA beruhigen… solange kein Knoten rasant anwachse, sollten wir uns keine Sorgen machen… und so beobachteten wir über Jahre hinweg, wie die Knubbel sich en masse vermehrten.

Im Frühjahr `99 traf mich dann der Schlag, als mich urplötzlich von Vios Rute aus ein dicker roter Batzen anstrahlte. Auch hier wurde nicht lange gefackelt und die Geschwulst (ein entzündlich alteriertes Talgdrüsenadenom) entfernt. Doch damit nicht genug: ein knappes halbes Jahr später entwickelte sich einer der Knubbel an den Milchleisten nicht zurück, sondern wurde massiv größer. Als unsere jetzige TA sich Vio daraufhin anguckte, riet sie uns dazu, die kompletten Milchleisten zu entfernen, da dort zig Knoten angelagert waren und diese unter Garantie nicht nur aus gutartigen Tumoren bestanden. Und da ganz offensichtlich ein hormoneller Zusammenhang zur Entwicklung und Vermehrung dieser Tumoren bestand, war darüberhinaus eine Ovariohysterektomie (also die komplette Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken) angebracht. Im Endeffekt hieß das, dass Violina von der Vulva aus bis rauf unter die Achseln aufgeschnippelt werden musste…

Eine OP, die eine Kastration sowie die Entfernung aller verbliebener Milchleisten, der entsprechenden Lymphknoten und größerer Tumoren umfassen sollte, war für dieses kleine Hundchen natürlich definitiv zu heftig, um sie in einem Aufwasch zu packen… und so wurde Vio im Abstand von 2 Monaten 2x operiert.

Leider wurden dadurch neue Probleme aufgeworfen: Zum einen litt das Mädel nun an Heisshungerattacken, die dazu führten, dass Violina ein paar Kilo zunahm und dass sie regelmäßig ihre gute Erziehung vergaß und alles Essbare vom Tisch klaute; zum anderen uferten ihre diversen Allergien völlig aus, nachdem sie bei der Folge-OP auf internes Nahtmaterial reagiert hatte. Mittlerweile war das Viochen so ziemlich gegen alles und jeden allergisch… am schlimmsten waren jedoch diverse Futtermittelallergien, die mich dazu veranlassten, ihr Futter größtenteils selbst zu kochen. Irgendwann wurden Juckreiz und Hautreaktionen jedoch so schlimm, dass sie sich alles aufkratzte, die Haut unter den Achseln bläulich-grau wurde und sich verhärtete („Elefantenhaut“), das Fell am Bauch ausfiel, die Haut am Rücken sowohl schuppig als auch leicht ölig war … und nicht einmal hochdosiertes Cortison befriedigende Wirkung zeigte. Bei einem erneuten Allergietest ließ unsere mittlerweile ratlose TA Vios Blut auf Sarcoptes-Milben untersuchen, obwohl die Symptome bzw. der Krankheitsverlauf nicht passten. Unglücklicherweise war der Laborbefund nicht eindeutig…. die Werte befanden sich in einem Grenzbereich, so dass man Räude weder ausschließen noch bestätigen konnte. Also wurde Vio auf Verdacht mit „Stronghold“ behandelt… und siehe da! Die Lösung zeigte sofort Wirkung: der Juckreiz ließ nach, die Haut kam zur Ruhe und verheilte. Nach dreimaliger Applikation über drei Monate war Vio nun fast beschwerdefrei und genoss das Leben wieder in vollen Zügen!

Violetta im feschen Anti-Kratz-Body:

Vio wurde älter und ruhiger… zwar sah man ihr immer noch nicht ihr Alter an und schätzte sie locker auf einen 10 Jahre jüngeren Hund, wenn sie wieder einmal kläffend neben uns herhopste oder Jungspunden ihre blendend weißen Zähnchen zeigte, aber so langsam stellten sich auch ungewollt düstere Gedanken ein. Wie sollten wir und vor allem Demi es nur ertragen, wenn das kleine Wuschelchen einmal nicht mehr bei uns sein würde? So kreisten meine Gedanken immer öfter um eine „Nachfolgerin“… die wir im Juni 2003 in der kleinen Vega fanden. Die insgeheim befürchteten Schwierigkeiten blieben vollkommen aus: Selbst im hohen Alter von 12 Jahren schaffte Violetta es auch dieses Mal, sich leise und bestimmt den nötigen Respekt vor der Vorwitznase eines Welpen zu verschaffen und ihre Stellung als Rudelchefin problemlos beizubehalten, obwohl ihr auch dieser Neuankömmling sehr schnell über den Kopf wuchs und sie locker von ihrer Position hätte schubsen können.

Und der Welpe tat ihr gut! Auch wenn Vio meistens die graue Eminenz spielte und die „Jungspunde“ sich selbst überließ, so war sie auf unseren Spaziergänge wie ausgewechselt: nichts machte ihr mehr Spaß, als sich von Vega ein Stöckchen mopsen zu lassen, um dann -einer kleinen runden Tonne gleich- hinter ihr herzuhüpfen und es mit blitzenden Augen und sich fast überschlagender Stimme zurückzufordern. Sobald sie es dann hatte, ließ sie es gleich wieder fallen, sich klauen…. und schon ging das Spiel wieder von vorne los!

Von uns aus hätte das ewig so weitergehen können, aber leider kam es dann doch anders als wir dachten. Das Violettchen hustete nämlich immer öfter, so dass wir vorsichtshalber ein EKG machen ließen. Dabei stellten wir zwar fest, dass ihr Herz in Ordnung war, aber es schien ein Problem mit der Lunge zu geben. Eine eingehende Untersuchung bei einem Fachtierarzt für Innere Medizin ergab, dass Vio an einer Lungenfibrose litt. Die Diagnose traf uns wie ein Schock, da man diese Erkrankung nicht heilen kann. Man kann lediglich versuchen, das Fortschreiten der Erkrankung durch eine Dauermedikation mit Cortison zu verlangsamen. Noch ganz benommen und verunsichert, wie es nun weitergehen sollte, traten wir unseren ersten Urlaub nach 10 Jahren an (eine Woche Dänemark). Eben dieser Urlaub lenkte unsere Gedanken wieder auf die wirklich wichtigen Dinge: man sollte das Leben genießen, solange man kann. Es nutzt nichts, Trübsal zu blasen und an das Unvermeidliche zu denken. Wir sollten es so halten wie unsere Hunde: an das Hier und Jetzt denken… und Spaß haben!

Genau so hielten wir es bis zuletzt (oder versuchten es zumindest)… wobei wir immer auf Violettas Alter und Gesundheitszustand Rücksicht nahmen. Aber selbst als ihre Atmung im Laufe der Monate immer angestrengter wurde, blieb die Maus stets gutgelaunt und durch nichts unterzukriegen. Sie ging immer noch gerne spazieren, hüpfte munter umher, spielte ausgelassen mit uns und manchmal sogar mit Vega, riskierte fremden Hunden gegenüber eine große Lippe, kläffte bis es uns in den Ohren klingelte und heckte jeden möglichen und unmöglichen Unfug aus, wenn es darum ging, sich etwas Essbares zu stiebitzen. Wie z.B. an jenem Abend im Februar ’05, als sie zusammen mit Demona das Haus hütete, während Görk mich mit Vega von der Arbeit abholte: als wir nach Hause kamen, wurden wir überschwänglich von Demi begrüßt. Nur …wo war Vio? Vor meinem geistigen Auge sah ich Panikbeutel sie schon irgendwo im hinteren Teil der Wohnung tot daliegen. Aber von wegen: sie lag in aller Seelenruhe im Lesezimmer inmitten einer völlig zerfetzten Plastiktüte und schlug sich den Bauch mit Schweineohren voll! Sie musste ungefähr 6 verspeist haben, ohne dass Demona auch nur das Geringste davon mitbekommen hatte. Und wie war sie da wohl rangekommen? Dieses kleine Schlitzohr muss mit ihrem Köpfchen zuerst einmal von unten den Deckel der Oskartonne runtergeschubst haben. Da die Tonne fest verankert in einer Ecke zwischen einem breiten Bücherregal und dem Ohrensessel stand, konnte sie die Tonne aber nicht umkippen. Also kann sie eigentlich nur auf den Sessel gehüpft und mehr oder weniger in die Tonne hineingekrabbelt sein, um sich die ganz unten liegende Tüte mit den Schweineohren zu greifen! Wie hätten wir ihr bei so viel „krimineller“ Energie böse sein können? *schmunzel*

Wen wundert es da, dass Violetta es sogar geschafft hat, dass wir selbst an unseren letzten Tag mit ihr mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurückdenken können?

An diesem Mittwochmorgen (3.3.2005) zeigte mir das Lettchen recht deutlich, dass sie keine Lust auf einen Spaziergang hatte. Also drängte ich sie nicht, sondern packte einfach die anderen beiden ins Auto…. ging dann aber noch mal zurück, um nachzuschauen, ob sie es sich vielleicht anders überlegt hatte…. und erwischte das kleine Luder dabei, wie sie sich gerade über einen frisch geöffneten 15-kg-Sack Hundefutter hermachen wollte! Brummelnd verschloss ich das Futter im Bad …und schon war Vio unterwegs zum Auto. *lach*

Auch der Spaziergang begann ganz normal. Violetta war gutgelaunt und größenwahnsinnig wie immer: als nämlich Joscha, ein riesiger, ca. 70 kg schwerer Bär von einem Kuvasz (der Bursche war sogar größer als Demona!) sie beschnuppern wollte, setzte sich Vio auf ihren Hosenboden, blickte zu ihm auf und zeigte ihm zwei blitzblanke weiße Zahnreihen, so a la: „Komm noch einen Schritt näher und ich beiße dir in die Nase!“ Niemand hätte vermutet, dass Vio schon so ein altes Mädchen und noch dazu schwerkrank war…. das obige Foto ist übrigens auf diesem Spaziergang entstanden…. diesem Spaziergang, den wir nach einer kurzen Weile doch abbrechen mussten, weil die Maus plötzlich gar nicht mehr aufhören wollte zu husten und dann sogar auf der Hinterhand schwankte.

Also die anderen Mädels nach Hause gebracht und mit Vio in einem durch zur TA. Mittlerweile atmete die Kleine extrem angestrengt und ihr Kreislauf war so instabil, dass wir nicht einmal röntgen konnten. Das Herz schien das Problem zu sein, also bekam sie entsprechende Medikamente und wir die strikte Anweisung, gleich wieder in die Praxis zu kommen, sollte sich Vios Zustand weiter verschlechtern. Dies war leider der Fall. Bei unserem zweiten TA-Besuch riskierten wir ein Röntgen …und blickten nur noch fassungslos auf die Aufnahme: zwei große Lungentumore… ein Lungenlappen mehr oder weniger dicht (Lungenödem)… die Milz stark vergrößert… höchstwahrscheinlich befand sich dahinter ein weiterer Tumor. In dem Wissen um Vios Lungenfibrose war die Symptomatik eines Herzhustens schlicht und ergreifend „untergegangen“…. aber selbst wenn wir sie schon vorher gut auf Herzmedikamente eingestellt hätten, wäre der Krebs unaufhaltsam in ihr weitergewachsen…

Wir nahmen Vio an diesem Abend noch mit nach Hause…bis oben hin vollgepumpt mit Medikamenten… und mussten diese Entscheidung glücklicherweise nicht bereuen. Auch die Kleine freute sich darüber und die beiden anderen Mädels konnten sich von ihr „verabschieden“. Insbesondere Vega schien den Ernst der Lage verstanden zu haben und suchte immer wieder den zarten, schnüffelnd-wedelnden Kontakt zu Violetta. Die Nacht verlief zum Glück sehr ruhig, ohne Schmerzen, ohne Atemnot…. die setzte erst wieder am Donnerstag Vormittag ein, als wir auf ihrem letzten Weg in die Praxis waren, wo sie schließlich völlig ruhig und entspannt in unseren Armen einschlafen durfte.

Viele von Euch wissen, wie unsagbar schwer es ist, über Leben und Tod zu entscheiden… aber wir taten es in der Gewissheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Selbst mit starken Medikamenten hätten wir nur noch um wenige Tage feilschen können …und unser innig geliebtes und nun so sehr vermisstes Mädchen wäre elend erstickt. Dieses Wissen beruhigt und versöhnt ein kleines bisschen mit dem Schicksal.

Dank Demi und Vega und dank der zahlreichen, mitfühlenden Gespräche und Mails mit (Hunde-)Freunden und der sehr liebevollen und oft schmunzelnden Erinnerungen, die dadurch wachgerufen wurden, fiel uns dieser Abschied sicher leichter, als wenn wir uns in unserem Schmerz vergraben hätten. Am meisten half und hilft mir jedoch der Gedanke, dass Violetta an der Regenbogenbrücke von Lilla empfangen wurde …der Hündin, die mir Vio einst geschickt hatte, um mit ihrem Verlust fertig zu werden… So schließt sich der Kreis.