Demona

„Was sie nicht umbringt, macht sie nur stärker“

 

Eigentlich beginnt Demis Geschichte schon vor ihrer Geburt im Sommer `96, als ihre Mutter, die Landseer-Hündin Tapsi, zusammen mit der jungen Bernhardiner-Hündin Pebbles in eine Hundepension gebracht wurde, damit ihre Familie in den Urlaub fliegen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war Tapsi gerade läufig, worauf ihr Frauchen den Pensionsbesitzer natürlich aufmerksam gemacht hatte. Doch Herr T. meinte nur, sie solle sich keine Sorgen machen, er würde höchstens mal seinen Doggenrüden mit der Hündin spielen lassen, weil der mit 1 Jahr noch nicht geschlechtsreif sei. Eine wirklich erstaunliche Aussage für einen angehenden Züchter!

Wie auch immer: die Familie kehrte aus dem Urlaub zurück, holte die beiden Hunde aus der Pension ab und nahm ihr Alltagsleben wieder auf…. bis zu dem Tag, an dem Michaela (Görks große Schwester) gedankenverloren ihren Hund kraulte und plötzlich mit einem Finger in einem Loch versackte. Erschrocken wühlte sie im Fell und stellte fest, dass es sich bei dem „Loch“ um eine vergrößerte Schlupfzitze handelte… und dass die übrigen Zitzen ebenfalls angeschwollen waren. Sie vermutete zwar nur eine Scheinträchtigkeit, stellte Tapsi vorsichtshalber aber trotzdem beim Tierarzt vor… und fiel aus allen Wolken, als dieser eine richtige Trächtigkeit feststellt.

Der Pensionsbesitzer wollte nichts bemerkt haben, ging aber davon aus, dass tatsächlich sein Rüde Tapsi belegt habe und bot – natürlich völlig „uneigennützig“ – an, die Hündin vorübergehend zu sich zu nehmen und die Welpen anschließend zu vermitteln. Ein Angebot, auf dass Michaela dankend verzichtete. Und so beobachtete die ganze Familie, wie das Tapselchen im Laufe der nächsten Wochen ganz allmählich zu einer wandelnden Tonne mutierte, die nur noch mühsam aufstehen konnte. Schließlich, am Morgen des 26.09., kam Michaelas aufgeregter Anruf: Tapsi habe ihre Frühstücks-Cornflakes nicht angerührt und sich statt dessen in den Garten verzogen, wo sie unruhig zwischen Bäumen und Büschen rumstromerte. Wir sollten doch bitte vorbeikommen. Das ließen wir uns natürlich nicht 2x sagen. 🙂

Bei Michi angekommen versuchten wir vergeblich, Tapsi davon zu überzeugen, sich die 1A Wurfkiste (ausgemustertes Kinderbett mit frischen Laken auf einer dicken Schicht Stroh) in der mollig warmen Garage mal genauer anzugucken. Stattdessen vergrößerte sie ein Erdloch, in das ihr Herrchen eigentlich ein Bäumchen setzen wollte, und begann dann wieder ihren rastlosen Zug durch die Kälte, als sie plötzlich von der ersten starken Wehe überrascht wurde, aufbrüllte und ziemlich verdattert auf den Busch starrte, in den gerade ihr Erstgeborener geplumpst war. Da sie nicht weiter reagierte, rannte Michi zu ihr hin, schnappte sich den Welpen und brachte ihn in die Wurfbox …dicht gefolgt von der aufgebrachten Hündin. Die dachte jedoch weiterhin nicht daran, in der Garage zu bleiben, packte den Welpen und drängte zur Tür. Ihr Ziel war klar und so rief Michi mir zu, ich solle Tapsi so lange aufhalten, bis die Grube zumindest mit Decken ausgelegt sei. Gesagt, getan: ich stellte mich breitbeinig über die Hündin, verkreuzte meine Arme vor ihrer Brust, mobilisierte all meine Kräfte, um diesen Koloss von knapp 80 kg festzuhalten… und betete, dass das aufgeregte Tier nicht die Geduld mit mir verlieren würde. Dann endlich kam der erlösende Ruf und Tapsi rannte schnurstracks in die Grube, in der sie während der nächsten 5 1/2 Stunden insgesamt 14 weitere Welpen zur Welt brachte, um die sie sich professionellst, wenn auch zunehmend müder und entkräfteter, kümmerte. Schließlich zog sie auch ohne weitere Widerworte mit ihren Kleinen in die Garage um und machte es sich dort gemütlich.

15 Welpen! Damit hatte niemand gerechnet: 15 Welpen, die eifrig fiepend durch die Gegend robbten, sich um die besten Plätze an den Zitzen prügelten… und die keinesfalls alle durchgekommen wären, wären sie bei der Mutterhündin geblieben, weil die zum einen nicht genügend Zitzen hatte und zum anderen ständig die Übersicht verlor, so dass sie ihre Jungen zu erdrücken drohte. Die beiden Tierärzte, die zu einer abendlichen Untersuchung vorbeigekommen waren, meinten daher, es sei wohl das Beste, einige der Welpen auszusortieren und einzuschläfern… doch die Kleinen waren alle kräftig und gesund. Wie konnte man da über Leben und Tod entscheiden?

So taten wir das Einzige, was uns jetzt noch übrig blieb: Görk und ich packten 6 der Welpen sowie die vorsorglich gekaufte Welpenmilch ein und fuhren nach Hause….wo der anstrengende Job begann, die kleinen Wonneproppen mit der Flasche aufzuziehen.

Und die Mühe hat sich gelohnt: sowohl die Welpen, die bei der Mutterhündin geblieben waren, als auch unsere Flaschenkinder kamen alle durch und entwickelten sich zu prächtigen Hunden, bei denen die Doggen-Gene voll zugeschlagen hatten, so dass wohl niemand vermutet hätte, dass ein Landseer an ihrer Zeugung beteiligt gewesen war.

Meine anfänglichen Bedenken, dass sich Violetta ernsthaft zurückgesetzt fühlen und die Welpen ablehnen könnte, lösten sich glücklicherweise in Wohlgefallen auf. Da wir uns sofort in die kleinen Fellknäuel verliebt hatten und insbesondere von Demis zuckersüßem Gesichtchen fasziniert waren, war uns sowieso klar, dass wir es nicht schaffen würden, uns von allem Welpen zu trennen, und so deuteten wir es als Zeichen, dass ausgerechnet Demona sich bei ihrem ersten Ausflug in unser Schlafzimmer verzog, um dort friedlich einzuschlafen.

Die Vermittlung war übrigens eine reine Tortur: in Anbetracht der hohen Wurfstärke und der voraussichtlichen Größe der Hunde hatten wir uns zwar schon sehr frühzeitig per Zeitungsinseraten um Interessenten bemüht, doch waren wir mehr als schockiert zu sehen, mit welch seltsamen Vorstellungen viele Leute an uns herantraten und glaubten, für die Hundehaltung geeignet zu sein. Unser großes Glück war wohl, dass wir das Albert Schweitzer Tierheim in Bonn um Unterstützung gebeten hatten und dass die Mitarbeiter dort in unserem Namen bereits eine tolle Vorauswahl trafen, bevor sie unsere Telefonnummer rausrückten. Nochmals vielen herzlichen Dank dafür! Auf diese Weise konnten wir alle Welpen in ein gutes neues Zuhause geben.

Demona war vom Wesen her ein Traum von einem Hund: verschmust, verspielt, sensibel, intelligent, wachsam, Fremden gegenüber vorsichtig bis zurückhaltend, doch wenn sie jemanden erst einmal in ihr Herz geschlossen hatte, war der vor ihrer ziemlich feuchten Zuneigung nicht mehr sicher. Außerdem schien ihr Vertrauen in uns einfach unerschütterlich zu sein. Leider war sie aber auch durch krankheitsbedingte mangelnde Sozialkontakte etwas ängstlich geworden und konnte das Verhalten fremder Artgenossen schwer einschätzen. Um sich die – ihrer Ansicht nach – potentiell gefährlichen Hunde (also alle über Dackelgröße) vom Leib zu halten, versuchte sie, durch eine laute Klappe zu beeindrucken… was ihr meistens auch gelang. Umso schöner war es, wenn ihr Gegenüber sich vor lauter Neugier und Verspieltheit nicht einschüchtern ließ und tapfer auf Demi zustiefelte: dann grummelte der Riese nämlich nur noch verunsichert und hüpfte erschrocken zurück, um dann zaghafte Annäherungsversuche zu gestatten und von Sekunde zu Sekunde weiter aufzutauen. Besonders lustig sah das Ganze aus, wenn es sich bei dem Gegenüber um tapsige Welpen handelte. 🙂

Wie oben bereits angedeutet, entpuppte sich Demona in Sachen Gesundheit als wahrer Pechvogel: sie wuchs in erstaunlichen Schüben äußerst schnell zur mit Abstand größten und schwersten Hündin (83 cm Schulterhöhe, zeitweise gut 65 kg Gewicht) aus dem Wurf an und legte dazu noch ein erstaunliches Temperament an den Tag. Eine fatale Kombination, wie sich herausstellen sollte.

Schon im Alter von 9 Monaten verletzte sie sich beim Toben, als sie wieder einmal meinte, mit der quirligen kleinen Violetta mithalten zu müssen. Zuerst war es ein verrenktes Knie, später eine verstauchte Pfote… Schmerzmittel und Schonung die einzige Therapie. Als unser damaliger TA dann auch noch gehörigen Respekt vor diesem freundlichen, verspielten Junghund zeigte, wechselten wir die Praxis und landeten bei Frau Dr. G., die wir damals für den absoluten Glücksgriff hielten. Sie zeigte nämlich keinerlei Angst vor dem jungen Riesen, erlangte auf Anhieb ihr Vertrauen und untersuchte sie gründlichst von vorne bis hinten. Dabei wurde festgestellt, dass Demi offenbar Schmerzen in beiden Hinterläufen hatte, und zwar von den Pfoten bis rauf zum Hüftgelenk, so dass eine Verletzung der Wirbelsäule im Raum stand. Wir legten die Kleine daher sofort in Narkose und ließen sie durchröntgen: Diagnose „Cauda equina“ (-> Nervenschädigung zwischen Schwanz- und Lendenwirbeln) im Frühstadium. Therapie: wöchentliche (und sehr teure) knorpelentwässernde Spritzen sowie diätetische Maßnahmen. Doch die Beschwerden traten in abgemilderter Form immer wieder auf; außerdem fanden sich nun bei beiden Hunden ständig neue Geschichten, die dringend und umfassend behandelt werden mussten. Kritische Stimmen aus Familien- und Freundeskreis à la „Die Frau findet ja immer was“ & „Reine Geldmacherei“ schlugen wir in den Wind und zahlten im folgenden Jahr bereitwillig und vertrauensvoll mehrere Tausend Mark in die Praxiskasse….schließlich hatte zwar ein zweiter Röntgenmarathon eine zusätzliche schwere HD (Hüftgelenksdysplasie) links ergeben, doch immerhin war die cauda equina (c.e.) nun angeblich nicht mehr so ausgeprägt.

Erst im März `98 wurden wir misstrauisch, als unser betagtes Rattenmädchen Jeanny plötzlich keine Luft bekam und Frau Dr. G. ihr lediglich ein paar Spritzen verpassen und einige Stunden abwarten wollte. Auf meine Frage bzgl. Jeannys Chancen hieß es, dass diese äußerst schlecht stünden und dass die Kleine mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso sterben würde. Da ich als Asthmatikerin weiss, welch Quälerei es ist, stundenlang um Atem zu ringen, ließ ich mich auf keine Versuche ein und ließ das Mädchen erlösen. Erst Tage später, als der erste große Schmerz nachließ, wurde mir so richtig bewusst, was an diesem Tag geschehen war …

Mit Demis Röntgenbildern bewaffnet stiefelte ich nun also in eine Bonner Gemeinschaftspraxis, wo keiner der anwesenden Vets Anzeichen für eine c.e. finden konnte; selbst meine Beschreibungen von Demis Beschwerden ließen niemanden darauf tippen; weiterhin wurde einstimmig die schlechte Qualität der Hüftaufnahmen bemängelt.

Über`s Internet begann ich jetzt meine Recherchen und stellte fest, dass Demi kein einziges typisches Anzeichen für den Kauda-Syndromkomplex zeigte. Außerdem hätte eine eindeutige Diagnose sowieso nur über Röntgenkontrastaufnahmen erfolgen können. Und alleine die Reduktion des Eiweißgehaltes im Futter sowie eine Zufütterung von Muschelextrakten hätte keine durchschlagende therapeutische Wirkung haben können. Blieben also noch die Injektionen: da ich keinerlei tierärztliche Unterlagen vorliegen hatte, forderte ich diese bei Frau Dr. G. an. Nun folgte ein monatelanges mündliches und schriftliches Hin und Her, doch die gewünschten Unterlagen erhielt ich nicht. Erst als ich die Tierärztekammer einschaltete, kam ich an die benötigten Infos, die selbst einem medizinischen Laien deutlich zeigen, wie inkompetent und geldgierig so manch ein „angesehener“ Arzt sein kann. Ein Blick in die „Rote Liste“ reichte nämlich vollkommen aus, um festzustellen, dass die Injektionen ganz sicher nicht die Wirkung haben konnten, die man uns weismachen wollte.

Aus dieser Erfahrung heraus kann ich nur jeden Patientenbesitzer raten, sich immer umfassend zu einem Krankheitsbild zu informieren, den behandelnden Tierarzt um ausführliche und klar verständliche Informationen zu bitten und eventuell sogar ein zweite Fachmeinung einzuholen.

Leider kam dieses Wissen für Demona zu spät: da die Grundursache ihrer Beschwerden (eine Bänderschwäche) nie behandelt worden war, riss Mitte Dezember `98 Demis rechtes Kreuzband, so dass das Mädel dringend operiert werden musste. Doch bei wem? Unser Vertrauen in Tierärzte war durch diese Angelegenheit sowie weitere fehlgeschlagene Versuche, die richtige Praxis für uns zu finden, ziemlich angeknackst und so telefonierte ich mit zig Vets, ließ mir gute Chirurgen empfehlen und löcherte diese wiederum zu ihrer Erfahrung, ihren Operationsmethoden, den Implantatsmaterialien usw.

Letztendlich landete ich in einer Gemeinschaftspraxis zweier Tierärztinnen in Bonn-Lannesdorf, in der man sich zwar anfangs offenbar ein bisschen ob meiner kritischen Art wunderte, mir aber bereitwillig all die Auskünfte erteilte, um die ich bat. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile der dort praktizierten Kreuzband-OPs (nach Paatsama) entschlossen wir uns schließlich dazu, Demi im Januar `99 bei ihnen operieren zu lassen. Übrigens: da sich in diesem Praxisteam damals fachliche Kompetenz, viel Tierliebe, Verständnis und Mitgefühl für all unsere Sorgen und Nöte und überhaupt eine sehr angenehme Atmosphäre vereinten, sind wir ihm über viele Jahre treu geblieben.

Unglücklicherweise wurde der Erfolg der OP knapp drei Monate später durch einen dummen Unfall zunichte gemacht. Noch nicht gefestigte Faszienimplantate sind eben nicht dafür gedacht, um im vollen Galopp um eine Ecke zu pesen und aus der Drehbewegung heraus einen Sessel als Trampolin zu benutzen. Also musste Demi nochmals unter`s Messer und wir wurden in die Tierklinik in Höhr-Grenzhausen überwiesen, weil die erste OP in dieser Form nicht wiederholt werden konnte. Dort wurde Ende April `99 nach einem „Cleaning-up“ des Kniegelenks (bei dem der gesamte Meniskus entfernt werden musste) die Oberschenkelmuskulatur an ihrer unteren Befestigung abgelöst und am Unterschenkel befestigt, wodurch der Hinterlauf etwas verkürzt wurde. Bis zur kompletten Ausheilung von Muskeln und Knochen vergingen 6 Monate… kostbare Zeit, in der wir Demi immer zurücknehmen und jeglichen spielerischen Kontakt zu Artgenossen unterbinden mussten… Zeit, in der wir die atrophierten Muskeln behutsam wiederaufbauten.

Im Laufe der Monate kam es immer wieder zu kleineren und größeren Rückschlägen durch Muskelkater, Muskelzerrungen, Verstauchungen etc. Obwohl Demi mit ihrer ewig guten Laune, ihrem gutmütigen Wesen und ihrer Lebensfreude überzeugte, begeistert jeden Spaziergang mitmachte, durch Felder und Wälder stromerte, über Bäche hopste, usw. ließen uns die wiederkehrenden Lahmheiten keine Ruhe, so dass wir Demi letztendlich (im April 2000) sedieren ließen. Erst jetzt konnte man sehen, dass die beobachtete Instabilität im linken Knie nicht durch die sowieso vorhandene Bänderschwäche bedingt wurde, sondern durch einen erneuten Kreuzbandriss… hervorgerufen durch die ständige Überbelastung des linken Hinterlaufs. Das hieß also: noch einmal operieren! Und so durften „unsere“ Tierärztinnen Anfang Mai wieder einmal den OP-Tisch verlängern und Demis Knie richten…

Bis zu ihrem Tod machen Demis Bänder glücklicherweise keine Probleme mehr, aber Demi ließ sich netterweise immer etwas Neues einfallen: im Februar ’01 entdeckten wir z.B. unter einer Zitze zwei Knubbel, die sich – wie sollte es auch anders sein? – als Tumore herausstellten. Durch unsere Erfahrungen mit Lilla und Violetta vorgeschädigt wollten wir kein Risiko eingehen und so muteten wir unserem Demonchen nicht nur die Tumorentfernung zu, sondern gleich noch eine Kastration. Aber auch diesen Eingriff steckte sie ohne weiteres weg.

Da zur Abwechslung mal wieder Probs mit dem Bewegungsapparat anstanden, versuchte sich Demi irgendwann als personifiziertes Überrollkommando auf Violetta und brach sich bei der anschließenden Flucht vor der verständlicherweise ziemlich wütenden Vio den kleinen Zeh an der linken Vorderpfote. Natürlich passiert so etwas ausgerechnet immer dann, wenn man mitten in der Pampa steht, das Handy zuhause vergessen hat und ohne Auto unterwegs ist…

Den nächsten großen Schock versetzte uns Demi nur wenige Monate später, als sie sich vor lauter Schmerzen kaum noch bewegen konnte und bei jeder Bewegung laut aufschrie, so dass wir schon an einen Bandscheibenvorfall, Spondylose etc. dachten. Da die Schmerzen aber schon nach einem Ruhetag, vollgepumpt mit Schmerzmittel und warm eingepackt, so gut wie verschwunden waren und sich so ein ähnlicher Vorfall erst nach über einem Jahr wiederholte (wenn auch nicht ganz so schlimm), tippten wir auf einen eingeklemmten Nerv oder Ähnliches. In ihrem Alter konnte es schon mal passieren, dass man sich den Rücken verknackst, und so versuchten wir nur, sie etwas in ihrem Überschwang zu bremsen, was gar nicht mal so einfach war, weil Demi frei nach dem Motto „Je oller, je doller“ lebte. Tatsächlich ging es ihr, je älter sie wurde, immer besser und sie entdeckte nun sogar das nasse Element für sich. Ein Spaziergang ohne zu plantschen oder zu schwimmen war für sie nur noch ein halber Spaziergang.

Eine ganz besondere Freude bereiteten wir Demona mit Vegas Einzug im Juni 2003. Sie war vom ersten Tag an vollkommen entzückt von dem Welpen und da sie im Grunde ihres Herzens selbst noch ein verspielter und ausgelassener Junghund war, ergänzten sich die beiden ganz hervorragend. Man musste nur aufpassen, dass sie nicht allzu wild miteinander tobten, weil es um Demis Bewegungsapparat schließlich nicht besonders gut bestellt war. Solange man mit aufmerksamem Blick unterwegs war und genau beobachtete, wie die beiden sich schon mit kurzen Blicken und minimalster Körpersprache verständigten, konnte man jeden Spielansatz gut unterbrechen … wenn man es denn über’s Herz brachte. Doch wie heißt es so schön? „Carpe diem“! Lieber gönnten wir den beiden Mädels zwischendurch (halbwegs kontrollierten) Spaß und nahmen dafür in Kauf, dass Demona zwischendurch humpelte, weil ihr z.B. der alte Bruch zu schaffen machte, als dass wir sie immer nur bremsten und ihr ein großes Maß an Lebensfreude und -qualität nahmen.

So hatten wir jedenfalls einen äußerst zufriedenen Hund, der zwar durch sein silbergraues Schnütchen äußerlich schon relativ alt wirkte, sich aber weiterhin benahm wie ein ausgelassener Jungspund und sich dementsprechend über einen Urlaub an Dänemarks Küste freute. Kühle Temperaturen, eine steife Brise, endloser Sandstrand, Wellen, ausgelassene Hundekumpels, glückliche Zweibeiner … was will man mehr?

Leider währte dieses Glück nur noch ein Jahr und wurde durch Violettas plötzlichen Tod im März 2005 jäh unterbrochen. Nicht nur für uns brach eine Welt zusammen… für Demi hatte es noch nie eine Zeit ohne Vio gegeben, die Kleine hatte ihr immer Halt und Sicherheit gegeben. Dementsprechend hart traf es also auch unser Döggelchen und wir konnten uns im Nachhinein glücklich schätzen, ihr rechtzeitig eine neue Gefährtin zur Seite gestellt zu haben. Nach gut drei Wochen kehrte auch für die verbliebenen Mädels so etwas wie Normalität ein und das Leben nahm seinen gewohnten Lauf.

Bis zu dem Tag, an dem die Horrorvision jedes Großhundhalters Realität wurde: im Juni 2005 hatte Demona eine Magendrehung!

Doch an diesem Abend wachten offenbar zig Schutzengel über dem Döggelchen, denn wir hatten in absolut jeder Beziehung Glück im Unglück. Um 18.00 Uhr bemerkten wir bereits die ersten Symptome: das Mädel wurde unruhig, versuchte mehrmals vergeblich sich zu übergeben und dann begann sie auch schon aufzugasen. Um 18.05 Uhr riefen wir unsere Tierärztin direkt zuhause an, um keine unnötige Zeit mit der Suche nach dem Not-Vet zu vergeuden. Mittlerweile war Demis Bauch zum Zerreissen gespannt, sie stöhnte und jammerte…und die Schmerzen wurden Minute für Minute schlimmer. Frau R. wies uns an, sofort ins Auto zu springen und zur Praxis zu rasen. Sie wollte sich ebenfalls sofort auf den Weg machen und zeitgleich ein OP-Team zusammentrommeln. Das ließen wir uns kein zweites Mal sagen und fuhren los… mit Vollgas über die glücklicherweise fast leeren Straßen Bonns. Und trotzdem glaubten wir, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen. Die Geräusche, die unser Liebling von sich gab, zeugten davon, dass sie in höchster Not war. Sie hatte starke Schmerzen, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, ihre Augen waren schreckensgeweitet. Um 18.20 Uhr kamen wir endlich in der Praxis an. Demona schäumte, hatte in ihrer Panik unter sich gemacht, die Schleimhäute waren bereits blau. Als Frau R. uns aufschloss, sagte ihr Blick schon alles: Demona stand kurz vor dem Kreislaufversagen und sie befürchtete, unser Mädel nicht durchzukriegen. Absolut professionell -ruhig, schnell und klare Anweisungen gebend- lotste sie uns durch die OP-Vorbereitungen, bis ihre Kollegin (von einem Grillabend bei Freunden geholt) und eine Arzthelferin eintrafen und übernehmen konnten. Wir halfen noch dabei, Demi gemeinsam auf den Tisch zu hieven, eine Infusion zu legen… und durften dann endlich den OP-Raum verlassen, allerdings mit der Anweisung, in Rufweite zu bleiben, um jederzeit eingreifen zu können, sollte noch ein weiteres helfendes Paar Hände benötigt werden. Die Not-OP selber begann bereits um 18.36 Uhr und dauerte fast eine Stunde. Glücklicherweise stabilisierte sich Demonas Kreislauf, sobald der Magen entgast worden war, und auch der Rest des Eingriffs verlief komplikationslos. Der Magen hatte sich noch nicht komplett gedreht, die Milz war noch an ihrem Platz und es gab daher noch keine Gewebeschäden. Nachdem der Magen repositioniert und fixiert worden war, wurde das Monchen ganz schnell zugemacht und aus der Narkose geholt. Sie war zwar noch lange nicht ausser Gefahr, doch das Schlimmste war überstanden und die Ärztinnen äusserten sich vorsichtig-optimistisch, dass unsere Kämpferin es packen würde. Und sie schaffte es!

Der Kreislauf blieb stabil, bis auf eine kleine Stelle sah die Wunde gut aus, das Döggelchen trabte schon am folgenden Tag munter umher, bekam noch ein paar Infusionen, wurde langsam angefüttert und durfte auch schon etwas trinken. Leider wurde die nässende Stelle jedoch größer und ließ sich auch nicht neu klammern, weil Demi zu sehr unter Stress stand und strampelte. So musste sie eine knappe Woche nach der OP zu einem „Reparaturtermin“, in dem unter einer leichten Sedierung die betreffenden Klammern entfernt und die Wundränder anschließend nochmals gesäubert und dann genäht wurden. Zwar dauerte es völlig ungewohnterweise mehrere Stunden, bis unsere Große wieder vollkommen fit war, doch danach ging die Genesung in Riesenschritten voran und schon nach wenigen Wochen hätte niemand Demona mehr angesehen, dass sie dem Tod so gerade noch von der Schippe gesprungen war.

Für Demi ging das Leben wie gehabt weiter… doch der Schock saß uns Menschen tief in den Knochen und fortan drehte sich alles nur noch um die Fütterungszeiten unseres Döggelchens: sie bekam ihr Fressen nun 4 x täglich, und zwar immer eingeweicht und mit Sab-Simplex (einem Mittel für Kleinkinder, das die Bläschenbildung im Magen bekämpft) versehen. Vor und nach dem Fressen war ausserdem nicht nur Ruhe angesagt, sondern auch „Überwachung“ … wir hatten also einen straff und eng strukturierten Zeitplan, der unseren Alltag beherrschte und keine Spielräume mehr zuließ. Doch was sind solche kleinen Einschränkungen schon im Vergleich zu dem Leben eines geliebten vierbeinigen Familienmitglieds?

Übrigens überzeugte uns Demona recht bald davon, dass sie sich allen Einschränkungen zum Trotz nicht die gute Laune vermiesen lassen wollte und so stürzte sie sich recht fix wieder in den Rhein, rannte mit Vega durch die Felder oder wälzte sich wonniglich im Gras.

Als wir dann im Molosserforum auf einen Wurf kleinbleibender Mischlinge aufmerksam wurden, regte sich in mir wieder der Wunsch nach einem Dritthund… vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Demona für einen Hund ihrer Größe schon recht betagt war und Vega eine eigene Spielgefährtin gebrauchen konnte. Demis Gesundheitszustand hatte sich glücklicherweise nicht nur stabilisiert, sondern sie war fitter denn je, so dass wir ihr guten Gewissens abermals einen Welpen auf’s Auge drücken konnten. Und so zog im September 2005 eine Handvoll Hund bei uns ein: die winzige Mortisha.

Demona, die ansonsten immer von Welpen begeistert war, konnte mit diesem Winzling anfangs recht wenig anfangen und hielt ihn sich durch geradezu hysterisch anmutendes Gekeife vom Leib… was Mortisha hellauf entzückte, nachdem sie erst einmal verstanden hatte, dass das große schwarze Ungeheuer gar nicht vorhatte, sie bei lebendigem Leibe zu verspeisen! Wie ein kleines Äffchen hüpfte das Fellknäuel immer um Demona herum, kläffte und startete Scheinangriffe und freute sich ein Loch in den Bauch, wenn die Große wie ein Berserker, dabei aber wild wedelnd, auf sie zustürzte und sie in die Flucht schlug. Wenn das Döggelchen besonders gut drauf war, rannte und hopste sie auch auf unseren Spaziergängen mit Tisha herum…immer darauf bedacht, sie nicht versehentlich über den Haufen zu rennen. Ein Bild für die Götter!

Doch je größer, aufgeweckter und frecher das Welpchen wurde, desto mehr zog sich Demona in ihre Rolle als Grande Dame zurück und überließ es dem „Fußvolk“ (also Vega), sich um das Junggemüse zu kümmern, was diese – trotz eigener gesundheitlicher Probleme – auch mit allergrößter Hingabe tat.

In den folgenden Monaten hielten uns die beiden jungen Hunde ziemlich auf Trab… und so traf uns im April 2006 der Schlag, als sich bei Demi eine vermeintlich harmlose Entzündung als Lymphdrüsenkrebs entpuppte. Da jedoch ausser einer Vergrößerung aller Lymphknoten keine weiteren klinischen Symptome aufgetreten waren und Demi sehr gut auf Cortisongaben ansprach, klammerten wir uns an die Hoffnung, das Mädel wenigstens noch ein paar Monate bei uns zu haben…obwohl die Chancen bei einer derart konservativen Therapie selbst im Falle einer chronischen Verlaufsform mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 1-2 Monaten sehr schlecht standen. Doch eine Chemotherapie kam für Demona nicht in Frage…sie hatte zeit ihres Lebens schon so viel durchgemacht und sie sollte ihren Lebensabend in Ruhe genießen…ohne stressige Behandlungen und Sedierungen bei einem fremden Tierarzt.

Und wieder einmal bewies Demona Kampfgeist: die Lymphknoten schwollen ab und sie kam zeitweise mit einer minimalen Erhaltungsdosis Cortison aus. Sie blieb ihr altes Selbst, baute nicht ab, fraß weiterhin mit großem Appetit, nahm an allem Anteil, ging freudig spazieren…kurzum: es ging ihr gut!

Doch dann kam der Sommer… heißer und drückender denn je. Trotz aller erdenklicher Vorsichtsmaßnahmen und entsprechender „Schonung“ während dieser schwülen Hitzeperiode passierte die nächste Katastrophe, als ich im Juni bei unserer Tierärztin die mittlerweile etwas angestrengte Atmung Demonas abklären lassen wollte. Freudige Erregung („Yippee, Autofahren!“ & „Yeah, es geht zum Arzt!“) in Kombination mit einem zu stickigen Auto (Kastenwagen, in dem die Luft trotz komplett runtergekurbelter Fenster hinten stand) und einer evtl. doch zugrundeliegenden leichten Herzproblematik (auch wenn 3 Monate zuvor das EKG unauffällig gewesen war) reichten aus, um eine relativ starke Kurzatmigkeit auszulösen. Wieder zuhause angekommen, besserte sich die Atemnot wider Erwarten nicht. Als Demi schließlich extrem angestrengt um Luft rang, rasten wir zurück in die Praxis, wo bereits alles vorbereitet wurde. Diagnose: Hitzschlag.

Der Hund glühte… und das ist nicht nur so dahingesagt: Demis Temperatur lag bei 41,7 °C.

Dass Demi überlebt hat, grenzt fast an ein Wunder. Zeitweise hatte selbst unsere Tierärztin daran gezweifelt, dass wir die Temperatur rechtzeitig runterschrauben könnten… doch nachdem wir Demi in klatschnasse Badetücher gewickelt, überall Eispacks druntergepackt, einen Ventilator auf sie gerichtet und mittels Infusionen Unmengen an Medikamenten in sie gejagt hatten, senkte sich ihre Körpertemperatur langsam, aber stetig. Nach mehreren Stunden in der Praxis war das Demonchen nachmittags zwar pitschnass, aber endlich so stabil, dass wir sie wieder mit nach Hause nehmen konnten. Für die Rückfahrt lieh uns die Ärztin sogar ihren Wagen aus, weil der eine Klimaanlage hatte. Mit dieser Vorsichtsmaßnahme lag sie genau richtig, denn auf der Rückfahrt standen wir auf der Autobahn prompt im Stau…was ohne Klimaanlage Demis Todesurteil gewesen wäre!

Leider erholte sich Demona von dieser Anstrengung nicht mehr ganz: obwohl sie weiterhin bestens gelaunt war, einen mordsmäßigen Appetit entwickelte und über alles und jeden motzte, schnaufte und röchelte sie bei der geringsten Anstrengung und/oder Aufregung, was sie jedoch nicht im Geringsten zu stören schien. Selbst ein testweise verabreichtes Herzmedikament sowie ein bronchienerweiterndes Mittel brachten keine Verbesserung. Schlimmer noch… die Lymphknoten schwollen wieder an und wir mussten Demis Cortisondosis peu á peu erhöhen.

Die Gedanken an den nun immer näher rückenden Abschied begleiteten uns Tag für Tag, raubten uns den Schlaf, die innere Ruhe… auch wenn wir uns fest vorgenommen hatten, keines unserer Tiere jemals unnötig leiden zu lassen, befürchteten wir, ausgerechnet bei Demona den richtigen Zeitpunkt zu verpassen… eben weil unser Mädchen so schrecklich tapfer war und sich nicht unterkriegen lassen wollte. Als die Atmung immer schwerer ging, diskutierten wir immer öfter miteinander, mit Freunden, mit Ärzten… und verließen uns letztendlich auf das, was Demi uns anzeigte. Solange SIE weitermachen wollte, solange SIE noch jegliches Geschehen in der Nachbarschaft lautstark kommentierte, solange SIE den Kontakt zu Vega und Mortisha genoss, solange SIE noch spazierengehen wollte und fraß… solange standen wir ihr zur Seite und kosteten jede freie Minute mit ihr aus.

Als das Ende dann kam, kam es in Riesenschritten…so schnell, dass Demona selbst es nicht wahrhaben wollte. Ihr körperlicher Verfall nahm eines Abends urplötzlich eine derart rasante Geschwindigkeit an, dass uns schnell klar war, dass wir unserem geliebten Demonchen in ein anderes, besseres Leben ohne Krankheit und körperliche Einschränkungen hinüberhelfen mussten… bevor das Leiden einsetzen konnte.

Am nächsten Morgen, dem 25. September 2006, schloss sich – mit Hilfe der wild wedelnd und freudig japsend empfangenen Tierärztin – auch dieser Kreis: von dem Tag ihrer Geburt an, an dem wir das kleine schwarze Fellbündel staunend und liebevoll an uns gedrückt hatten… bis zu dem Tag ihres Todes, an dem sie in unseren Armen lag und friedlich einschlief.