oder: „Der kleine Actionkeks“
Matilda sollte angeblich eine reinrassige Französische Bulldogge sein, von daher gehen wir davon aus, dass die Besitzer der Mutterhündin entweder sehr naiv, dumm oder einfach nur geldgierig waren…. und mit einem Modehund Geld verdienen wollten.
Das Ganze fing jedenfalls mit der „falschen“ Wahl des Rüden an (offenbar konnte man einen Franzosen nicht von einem Boston Terrier unterscheiden) und endete damit, dass man entweder nichts davon wusste, dass diese Rassen sehr oft Geburtsprobleme haben, oder dass es den Leuten schlicht und ergreifend wichtiger war, an Silvester zu feiern, statt auf ihre hochträchtige Hündin zu achten. Fakt ist jedenfalls, dass irgendwann in der Nacht zum 01.1.2014 die Wehen begannen, der Geburtskanal aber zu eng war, alles ins Stocken geriet…. und die Hündin erst in die Tierklinik geschafft wurde, als es viel zu spät war: die Gebärmutter war geplatzt und man konnte in einer Not-OP nur noch die elf Welpen retten.
Mir wird immer noch schlecht, wenn ich daran denke, welch‘ Höllenqualen dieses arme Tierchen durchlitten haben muss. 🙁
Wie zu erwarten waren die Leute dann auch damit überfordert, die nun mutterlosen Welpen alle zwei Stunden zu füttern und so wurden die Würmchen bereits am nächsten Tag dem Tierschutz übergeben. 10 Welpen landeten im Tierheim Frankenthal, da man dort mit der Aufzucht von Flaschenkindern erfahren ist und die Kleinen insgesamt auf mehrere Pflegestellen verteilen konnte, um die Belastung der „Versorger“ zumindest etwas zu reduzieren. Drei der Welpen (2 Hündinnen, 1 Rüde) wurden von der Tierheimleiterin Simone übernommen, deren Bordeauxdoggenrüde Sam der weltbeste Pflegepapa für Tierkinder aller Arten war. Und damit war unser Schicksal eigentlich schon besiegelt. 😉
Simone schickte mir schon am 2. Tag via WhatsApp Fotos und Videos, in dem Tenor: „Du wolltest doch immer mal einen kleinen Hund haben, oder? Du hättest hier die freie Wahl aus 10 Franzosen.“
Nachdem wir uns kurz beratschlagt hatten und mein Mann mir das OK für einen Vierthund gegeben hatte, wurde die Auswahl dann doch schnell eingeschränkt, da die Welpen damals noch auf 3 Pflegestellen verteilt waren und Simone natürlich am liebsten einen „ihrer“ Welpen bei uns gesehen hätte. Aus den 10 wurden also 3, de facto aber nur 2, weil ich zu Simba keinen weiteren Rüden haben wollte. Und als es daran ging, zwischen den beiden Hündinnen zu entscheiden, kam dann nur ein „Also wenn ich GANZ ehrlich bin, würde ich das Sorgenkind am liebsten bei DIR sehen.“
So kam dann also nach knapp zwei Monaten Matilda zu uns, die (nach einem Sturz im Alter von zwei Wochen incl. Kurz-Aufenthalt in der Tierklinik mit Röntgen, Ultraschall und Schmerzmitteln) in der Entwicklung etwas zurückgeblieben war und gerade mal 2 kg wog.
Simba war nach relativ kurzer Zeit total begeistert, fühlte sich aber mit dem Winzling anfangs noch leicht überfordert, Vega übte sich erst mal in Ignoranz… und Mortisha war „not amused“ , um es mal milde auszudrücken. Ihr Missmut steigerte sich nach ein paar Tagen derart, dass sie schon angefressen war, wenn das Hundekind sich nur im selben Raum befand. SIE war es gewohnt, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein und nun gefiel es ihr offenbar gar nicht, dass ihr jemand die Show stahl, obwohl wir penibel darauf achteten, keinen der erwachsenen Hunde in irgendeiner Weise zurückzusetzen.
Schließlich begannen die Attacken: todernste, lautlose Angriffe ohne jegliche Vorwarnung, die mich in höchste Alarmbereitschaft versetzten. Ich ließ Morty niemals mit Matilda alleine und konnte die ersten Attacken im Ansatz unterbrechen, bis sie sich eines Tages so rasend schnell auf das Welpchen stürzte, dass ich nur noch instinktiv reagieren konnte: ich brüllte „NEIN“ und schlug ihr ins Gesicht, kurz bevor sie sie erwischen konnte (glücklicherweise hatte ich gerade direkt neben Mati gesessen).
Mortys Reaktion sprach Bände: sie setzte sich auf ihren Hosenboden und starrte mich aus großen Augen an, vollkommen erschüttert. DAS kannte sie nicht. Doch sie hatte eine Grenze überschritten und nun auf die harte Tour festgestellt, dass ich das nicht durchgehen ließ.
Unser großes Glück war, dass unser Stinkstiefel nun sehr aufmerksam auf mich achtete und sich nicht mehr traute, Matilda ansatzlos anzugreifen. Damit kam meine Chance! Da sie nicht mehr angriff, die Kleine aber nun böse anstarrte und somit endlich Drohverhalten zeigte, lobte ich sie genau in diesem Moment…. etwas, was wohl bei den meisten anderen Hunden genau das falsche Signal gegeben hätte. Mortisha war aber so auf uns fixiert, dass das stimmliche Lob ihre Anspannung auflöste, sie ihre Aufmerksamkeit vom verhassten Welpen auf das geliebte Frauchen richtete und das kleine Tierchen ignorierte.
Auf diese Weise gelang es mir, Morty peu a peu wieder die gesamte Palette des hündischen Drohverhaltens anzutrainieren und gleichzeitig ihre Toleranz der Kleinen gegenüber ganz allmählich zu steigern. Nach vier sehr anstrengenden und aufreibenden Wochen war es dann soweit: Matilda hatte sich vergessen und war Morty mitten ins Gesicht gesprungen…und die Große war zu Recht stinksauer. In diesem Moment war eine Maßregelung „legitim“ und ich ließ sie mit klopfendem Herzen gewähren.
Tatsächlich packte sie Mati mit großem Getöse im Nacken, drückte sie zu Boden, fasste ein zweites Mal nach und blieb über ihr stehen. Mati und ich hielten die Luft an…. Morty ließ die Kleine los und wendete sich betont langsam ab. Mir fiel ein Riesenstein vom Herzen: das Hundekind war pitschnass, aber ihr war kein einziges Haar gekrümmt worden!
Von diesem Tag an waren die Fronten geklärt und ich musste mir keine Sorgen mehr machen. Der große Gremlin spielte das Fräulein Rottenmeier und ließ den kleinen Gremlin durch eine verdammt harte Schule gehen, aber Matilda betete die „Große“ an….und das gefiel der natürlich.
Die kleinen Bulldoggen fielen nun jeden Tag übereinander her, mit aufgerissenen Mäulern, funkelnden Augen, aufblitzenden Zähnen und unter heftigem Knurren und Keifen…aber sie hatten einen Heidenspaß daran und das wilde Spiel ist never ever gekippt. Wenn das kleine Teufelchen es mal übertrieb, reichte EIN Blick von Mortisha und sie hörte sofort auf.
So schön es auch ist, einen Welpen zu adoptieren, sich jeden Tag an diesem entzückenden Wesen zu erfreuen und zu sehen, in welch rasendem Tempo er wächst und sich entwickelt, so anstrengend ist diese Zeit aber auch… vor allem wenn das kleine Tierchen vor Selbstbewusstsein strotzt , komplett respektlos und völlig unerschrocken ist. Matildas Spitznamen sagen eigentlich schon alles: Actionkeks, Terrorbrösel, Springspinne und Little Attack Dog. 😀
Nichts und niemand war vor ihr sicher. Sich bewegende Gummistiefel, Geschirre und Leinen (an den anderen Hunden befestigt ), rollende Mülltonnen, der Rasenmäher, der Staubsauger, aber auch Gießkanne, Sprühflasche oder – noch besser! – den Gartenschlauch… sie hüpfte gleich aufgeregt um einen rum, versuchte hineinzubeissen und hatte einen Heidenspaß dabei. Richtig sauer aber wurde sie, wenn vor allem andere Welpen sie spielerisch deckeln wollten. Obwohl sie in den Welpenstunden immer die Kleinste war, ließ sie sich nichts gefallen und hätte sich never ever hinter meinen Beinen versteckt. Stattdessen froren ihre Gesichtszüge ein und wenn der andere darauf nicht reagierte, gab es Kasalla!
Das hat sich übrigens bis zu heutigen Tag nicht geändert: Mati hat ein absolut sauberes Sozialverhalten und kommuniziert ganz fein. Reagiert ein anderer Hund aber nicht angemessen, wenn sie ausweicht oder durch ein leichtes Drohschnappen sagt, dass sie keinen Kontakt wünscht, geht sie in die Offensive…egal wie groß und schwer ihr Gegenüber ist. Damit verschafft sie sich in der Regel gehörigen Respekt, allerdings besteht dann immer die Gefahr, dass ein größerer Hund mal aggressiv reagiert und dann zieht mein Winzling den Kürzeren, was durchaus sehr gefährlich werden kann. Von daher bin ich bei fremden Hunden doch recht vorsichtig und eigentlich recht froh, dass Mati von sich aus keinen Kontakt zu anderen Hunden wünscht und sich im Hintergrund hält.
Für sie ist nur das eigene „Rudel“ wichtig. Hier hat sie vollstes Vertrauen und kann ausgelassen spielen, kuscheln, schmusen und kontaktliegen. Je enger, desto besser. Ganz besonders liebt sie es, ihr Schnütchen unter die Lefzen der Großen zu schieben und wie eine kleine eifrige Zahnarzthelferin deren Gebisse zu überprüfen… und sich die Ohren ausgiebigst putzen zu lassen, was gerade in den ersten Jahren problematisch war, da Mati eine schwere Allergikerin ist und regelmäßig hochgradig entzündete Ohren hatte.
Die Allergie haben wir mittlerweile im Griff und ich wünschte, es hätte bereits zu Violettas Lebzeiten Apoquel gegeben… ein Medikament, das kein Cortison enthält, aber sehr schnell selbst starken Juckreiz lindert.
Seitdem Matilda diese – zugegebenermaßen recht teuren – Tabletten bekommt, sind ständiges Kratzen, Pfotenlutschen incl. Zwischenzehendermatitis und Ohrenentzündungen weitestgehend passé, solange sie nicht einen akuten allergischen Schub hat, weil man ihr das „falsche“ Leckerchen zugesteckt oder ihr eine Futtersorte länger als zwei oder drei Wochen gegeben hat.
Eine andere „Baustelle“ ist Matis Bewegungsapparat.
Als sie nicht mal 2 Jahre alt war (11/2015), schrie sie beim Reinspringen ins Auto und bei der sofortigen Untersuchung des rechten Hinterlaufs, den sie kurz hochgenommen hatte, laut auf. Im Laufe der nächsten Stunden begann sie trotz Schmerzmittelgabe zu zittern und ließ sich nicht mehr anfassen. Also ging es ab zur Tierärztin. Matilda zeigte in der Hüfte (rechts stärker als links) geringe Schmerzreaktionen und bekam zusätzlich Novalgin gespritzt, was das Mäuselchen leider nicht ganz so gut vertragen hat.
Wir gingen davon aus, dass sie sich eine üble Zerrung zugezogen oder einen Nerv eingeklemmt hatte, weil die heftigen Schmerzen nur bei Aufwärtsbewegungen auftraten und sie dann jedesmal ganz kurz total verschreckt war… was nicht für heftigen Dauerschmerz sprach. Deshalb bekam sie vier Nächte zusätzlich Diazepam, so dass auch die quergestreifte Muskulatur entspannte und sich ein eingeklemmter Nerv hätte lösen können. Doch auch das brachte nichts.
An sich kam sie gut zurecht, mochte keine Stufen rauf laufen (d.h. wir mussten sie selbst aus dem Garten immer ins Haus tragen) und entlastete im Stand hin und wieder ganz kurz… sobald aber „Action“ angesagt war, belastete sie voll. Schonung fand sie doof, Leinenspaziergänge (Minirunden) auch: da wurde gekläfft, die Leine geschüttelt und sie drehte sich im Kreis. Machte sie jedoch einen kleinen Hopser, schrie sie gellend auf, klappte zusammen und zitterte minutenlang wie Espenlaub.
Nach wochenlangem Rätselraten mit verschiedenen Tierärzten, Schonung und Schmerzmittelgabe ohne dauerhafte Besserung beschlossen wir, sie schnellstmöglich ins MRT zu schieben. In Hofheim, unserer Wunschklinik mit dem Chirurgen unseres Vertrauens, hätten wir erst zum Jahresende hin einen Termin bekommen, also fuhren wir nach Mönchengladbach in die dortige Tierklinik.
Leider hat sich dort die Vermutung des Chirurgen bestätigt: es war die Wirbelsäule…
Hier mal der Befund (von vorne nach hinten):
* geringer Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule
* teilweise hochgradige Bandscheibendegeneration in der Brustwirbelsäule
* mittendrin eine Wirbelmissbildung (ein nicht komplett ausgebildeter Keilwirbel)
* mittelgradiger Bandscheibenvorfall im Lendenwirbel-/Kreuzwirbelbereich
* dazu eine cauda equina mit beidseitiger Nervenwurzelentzündung und -verdickung
Kein Wunder also, dass die Maus zwischendurch so heftige Schmerzen hatte, dass es einem alleine bei ihrem Anblick das Herz zerriss.
Die Mönchengladbacher rieten dazu, zumindest die c.e. zu operieren (Entfernung des betreffenden Wirbeldaches). Da ich eine solche OP aber nicht über’s Knie brechen wollte, sollen wir PhenPred reinknallen, danach „normale“ Entzündungshemmer. Dazu weiterhin extreme Schonung. Kein Freilauf, kein Springen oder Toben, kein Treppensteigen. Und ein Halsband war ein absolutes No-Go.
Ich war natürlich erst mal völlig aufgelöst, doch unsere behandelnde Tierärztin und ein befreundeter Vet konnten mich etwas beruhigen. Beide wollten das Ganze lieber erst mal konservativ angehen: sobald die Entzündung abklang, sollten auch die Nervenenden abschwellen, der Druck abnehmen und die Schmerzen verklingen. Auch der Hofheimer Neurologe, dem ich den Befund samt MRT-Aufnahmen zugeschickt hatte, schloss sich dieser Meinung an.
Tatsächlich war das Knübbelchen unter PhenPred innerhalb kürzester Zeit wieder komplett beschwerdefrei… nach knapp zwei Wochen wurde das Medikament allmählich reduziert mit gleichzeitiger langsamer Steigerung der Bewegung. Dazu dann Physiotherapie.
to be continued…