Wildunfall

Am liebsten würden wir dieses Weihnachten komplett aus unserer Erinnerung streichen. Denn zu dem üblichen Arbeitsstress samt ordentlichen Überstunden gesellten sich Krankheit, Sorgen, ein schlimmer Familienstreit, die Trauer um Kimba und letztendlich noch ein traumatischer Wildunfall am ersten Weihnachtstag.

Morgens hatten wir uns in aller Ruhe in unsere Hundeklamotten geworfen und waren mit dem Trio in die Siegauen gefahren. Überall herrschte Stille, die Hunde genossen den Freilauf und wir bekamen an der frischen Luft ein bisschen den Kopf frei.

Als wir uns nun einem Wegabschnitt näherten, dass uns parallel zu der Landstraße zwischen Bergheim und Bonn entlang- und auf einen toten Siegarm zuführte, leinten wir die zwei Kleinen vorsichtshalber an. Vega durfte wie gewohnt im Freilauf bleiben, selbst als uns ein älterer Herr mit einem größeren Terrier-Verschnitt entgegenkam.

Der Mann blieb mitsamt Hund am Wegesrand stehen, ich schickte Vega mit einem ruhigen Kommando an den beiden vorbei und dann passierten wir ihn in aller Ruhe. Als uns der Mann nun aber begeistert ob der tollen Hunde ansprach und sich nach der Rasse erkundigte, blieben wir natürlich auf ein kurzes Schwätzchen stehen… derweil Vega ein paar Meter weiterlief.

Plötzlich hörten wir ein hektisches Rascheln im Laub, das am Wegesrand lag, schauten zu Vega und sahen, wie sie versuchte, irgendetwas zu packen, was sich am Fuß der Böschung befand!

Wir brüllten sofort los, doch es war zu spät: Vega befand sich bereits im größten Jagdfieber und packte sich das Tier. Mein Mann rannte los und hörte in seiner Panik nicht, dass er Simba übernehmen sollte (damit ich mich ohne weiteren Hund nähern und Vega abrufen konnte). Stattdessen näherte er sich mit der wild kläffenden Mortisha, was Vega nur noch weiter anstachelte. Mist!

Nun griff mein Mann in Vegas Geschirr und zog sie zurück auf den asphaltierten Weg, doch sie ließ nicht sofort los, sondern schleifte das Tier hinter sich her. Erst auf eine donnernde Ansage hin ließ sie es mitten auf dem Weg liegen, wurde von meinem Mann zu mir gebracht und von mir in sicherer Entfernung abgelegt.

Tja…und da standen wir nun mit drei Hunden und einem verletzten Wildtier, das wir uns erst jetzt genauer anschauen konnten: es war ein erwachsenes Nutria, abzüglich der kurzen Beine sicher so groß wie Mortisha und gute 8-9 kg schwer.

Äußerlich schien es unverletzt, da Vega noch relativ „sanft“ zugepackt hatte, ohne schütteln zu können. Doch es lag nur da und konnte die Hinterläufe nicht mehr bewegen…

Was tun? Unser erster Impuls war, das Nutria in eine Jacke zu wickeln und auf schnellstem Wege zu einem Tierarzt zu bringen, doch dieser Versuch scheiterte kläglich an der Aufregung und den riesigen Schneidezähnen des Tieres.

Nun wurde uns erst so richtig bewusst, wie wehrhaft so ein Nutria ist… und uns wurde klar, dass es bereits krank oder verletzt (vermutlich auf der Landstraße angefahren und dann die Böschung runtergepurzelt) gewesen sein musste. Andernfalls hätte dieses scheue Tier sich nicht so weit vom Wasser aufgehalten und vor allem hätte es Vega schwer verletzt… doch die hatte nicht einmal einen Kratzer!

Sei es, wie es war: wir mussten dem armen Tier helfen.

Also riefen wir bei der Polizei an…und hatten schon das nächste Problem: Wo befanden wir uns? War das noch Bonner Stadtgebiet oder waren wir schon in Troisdorf? Und wie konnte die Polizei helfen? Als die hörten, dass das Tier noch lebte und wahrscheinlich erlöst werden müsste, wurde ganz schnell auf die Feuerwehr bzw. auf das Bonner Tierheim verwiesen.

Das Tierheim? Nein…also doch lieber die Feuerwehr angerufen, die glücklicherweise sofort jemanden rausschicken wollte. Dank einer Passantin mit Beagle wussten wir zumindest, dass wir in Bergheim waren und dass sich ein kleines Stück weiter an der Landstraße eine Bushaltestelle befand, die wir als Treffpunkt nehmen konnten. Mein Mann rannte also los und  versuchte, eine möglichst genaue  Ortsbeschreibung durchzugeben, während ich mit Simba und Vega zurückblieb, das bemitleidenswerte Nutria „bewachte“ (das sich glücklicherweise beruhigt hatte) und vor allem andere Hundehalter warnte.

Die Minuten vergingen schrecklich langsam. Von der Feuerwehr keine Spur. Dann ein Anruf von der Feuerleitstelle: man könne uns nicht finden. Nun wurde mein Schatz mit dem Feuerwehrmann verbunden, der irgendwo durch Bergheim irrte. Als ich mich nun einschaltete, gelang es uns, dem Mann eine genauere Wegbeschreibung durchzugeben.

Trotzdem dauerte es insgesamt eine gute Stunde, bis Hilfe da war…und der noch recht junge Mann der Freiwilligen Feuerwehr wurde kreidebleich, als er hörte, dass das Nutria immer noch lebte. Nachdem er sich dann vor Ort ein genaueres Bild von der Sachlage gemacht hatte, bestätigte er unsere Vermutung: das Tier war nur etwas besabbert, ansonsten aber äußerlich unverletzt. Die Querschnittslähmung, die unmittelbare Nähe zur Landstraße sowie fehlende Verletzungen auf Seiten des Hundes sprachen sehr dafür, dass das Nutria bereits verletzt gewesen war und sowieso verendet wäre. Also konnte er es nur noch erlösen.

Doch was so einfach klingt, ist es nicht… vor allem wenn man so etwas noch nie getan hat und einem das richtige Handwerkszeug dafür fehlt. Also nahm er eine Schaufel vom Pritschenwagen, atmete tief durch und tat das, was getan werden musste.

Ich habe zwar nicht hingeguckt, doch mir war – ebenso wie den beiden Männern – einfach nur speiübel.

Der einzige Trost ist, dass die Qualen des armen Tieres so wenigstens ein schnelles Ende gefunden haben. Hätte Vega es nicht aufgestöbert, hätte es wahrscheinlich noch ewig dort gelegen und wäre elend eingegangen.

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6 Gedanken zu „Wildunfall

  1. Euch meine ich doch gar nicht – ich meinte lediglich den Feuerwehrmann – gut, anscheinend scheint es halt nicht überall der Fall zu sein, dass man solche Handschuhe auf dem Fahrzeug hat.

  2. Es war nicht bös gemeint, Grazi, aber ich war selbst mal in so einer Situation (es handelte sich hierbei allerdings um einen Maulwurf) – ich habe mit meinem Post nur deutlich machen wollen, dass ich erschlagen nicht machen würde. Der Maulwurf damals konnte sich auch noch gut wehren – dennoch: erschlagen ist nicht mein Ding.

    • Mag sein, dass du es nicht böse gemeint hast… allerdings kommen deine Formulierungen so bei mir an.
      Erschlagen ist nämlich auch nicht mein Ding, ebensowenig wie das meines Mannes… und offensichtlich hat sich auch der Feuerwehrmann sehr schwer damit getan. Aber er hat die Zähne zusammengebissen, sich vorher genau überlegt, wie und wo er zuschlägt… und hat diese schwere Aufgabe schnell und effektiv zu Ende gebracht. Dafür hat er unsere Hochachtung!

      Btw: Hätten wir gewusst, wie lange es dauert, bis uns Hilfe erreicht…und hätten wir irgendeine Möglichkeit gesehen, dem Tier unnötiges Leiden zu ersparen, hätten auch wir uns überwunden.

  3. @ Angi: Sicher, man hat gut reden, wenn man nicht dabei war…

    Wie bereits geschrieben, war unser erster Gedanke auch, das Tier einzupacken und zum TA zu fahren, was sich aber als unmöglich erwies.

    Und auf dem Pritschenwagen der Freiwilligen Feuerwehr waren *keine* beissundurchlässigen Handschuhe vorhanden.

    Doch es ging dem Feuerwehrmann und auch uns nicht primär um Selbstschutz, sondern vor allem darum, dem Nutria weitere unnötige Qualen zu ersparen.

    Interessanterweise haben zwei Tierärzte und eine ehemalige Zootierpflegerin (die bereits mit Nutrias gearbeitet hat) gesagt, dass das die – im Sinne des Tieres! – sinnvollste Vorgehensweise gewesen ist. Denn retten hätte man das arme Viecherl nicht mehr….

    Nun bedenke bitte den extremen Stresslevel eines scheuen, hilflosen und von Schmerzen gepeinigten Wildtieres, das von Menschen fixiert, durch die Gegend getragen und dann in einem rumpelnden Wagen kilometerweit zum nächsten TA gefahren wird, nur damit der dann eine Spritze setzt. Sorry, das muss auch nicht sein.

    @ Frauke: Vielen Dank für dein Mitgefühl. Für uns ist ein Alptraum wahr geworden…

    Wenn unsere Vierbeiner Schmerzen haben, tun wir alles, um ihnen zu helfen. Und das gelingt uns, weil sie uns vertrauen und sich händeln lassen. In diesem Fall jedoch waren wir einfach nur hilflos und ohnmächtig. Das wünsche ich niemandem, der ein Herz für Tiere, ob nun zahm oder wild, hat.

  4. Also sorry, ich hätte das Tier gepackt und zum Tierarzt gebracht – auf jedem Auto der Feuerwehr gibt es beißundurchlässige Handschuhe. Erschlagen hätte ich es nicht.

  5. Um Himmels Willen … was für ein Erlebnis.
    Mir wäre es den ganzen Tag nur noch Elend gewesen und das war es euch sicherlich auch.

    Ich selbst habe immer Angst, dass mir mal etwas vors Auto läuft, wenn es draußen schon dunkel ist. Ich hätte ein ganz großes Problem damit, wenn ich mal ein Tier überfahren würde und sei es nur ein Frosch, eine Maus oder ähnliches Kleingetier.

    Und Gott sei Dank ist mir dies noch nie passiert und ich hoffe, das bleibt auch so.

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