Rückschritt

An sich hätten wir heute wieder ganz entspannt zur Hundeschule fahren wollen, um ein bissel mit Sofia zu üben und sie dann mit den anderen Hunden spielen zu lassen.

Blöderweise hatte aber ein Anwohner mehrere Dutzend Anzeigen erstattet, weil es ihm nicht passte, dass regelmäßig Hundehalter und Spaziergänger mit dem Auto über die asphaltierten Feldwege Richtung Teckelclub (Schwarz-Rheindorf) fahren, um vor dem Damm auf einem Schotterplatz zu parken und von dort aus entweder die Hundeschule zu besuchen oder gen Rhein zu wandern. Konsequenz: neuerdings steht des öfteren ein Polizist vor auf dem Feldweg und stoppt die Autofahrer.

Da ich von der Trainerin vorgewarnt war, hatte ich direkt am Rand des Wohngebietes  am Vilicher Bach geparkt und wollte mit Sofia die paar hundert Meter zu Fuß zum Vereinsgelände gehen. Das entpuppte sich als Fehler. 

Dank der Sperrung des Bahnübergangs in unserem Viertel mussten wir einen Umweg über die Autobahn machen und gerieten in einen üblen Stau, so dass ich eh schon genervt war. Wahrscheinlich spürte Sofi das, denn sie wollte nicht mal aussteigen, nachdem ich endlich angekommen war und geparkt hatte. Statt nun das einzig Vernünftige zu tun und wieder heimzufahren, hob ich Dussel das verunsicherte Hundchen aus dem Auto und stapfte einfach los.

Nach knapp 50 m kam schon der nächste Stressfaktor: ein abgestelltes Polizeimotorrad mit quäkendem Polizeifunk, ein paar Meter davor ein Polizist, der einen Autofahrer angehalten hatte und ihm die Leviten las, und eine Frau, die sich und ihren Australian Shepherd gerade sortierte. Also fremde Menschen, komische „Gerätschaften“ und eine gruselige Geräuschkulisse, die sich auf kleinem Raum knubbelten.

Ich lockte Sofia dran vorbei und bog auf den langen Feldweg Richtung Hundeschule ein, wo sie eigentlich hätte entspannen können. Doch dank des sommerlich anmutenden Wetters waren unglaublich viele Radfahrer unterwegs, die aus beiden Richtungen kamen. Horror pur für das arme Tier!

ENDLICH kamen wir an und retteten uns auf das Trainingsgelände, auf dem die Übungsstunde natürlich schon lange angefangen hatte. Also kurz durchgeschnauft und dann dazugesellt.

Unglücklicherweise waren recht viele Leute dabei, die wir noch nicht kannten und die daher nichts von unserer Angstproblematik wussten. Leider hatten sie aber auch nur Augen für ihren eigenen Hund, so dass sie nicht  auf Sofias Körpersprache achteten. Als wir also von hinten und von vorne von Fremden „eingekesselt“ waren und dann noch eine Frau (entgegen der Übungsanweisungen) aufschloss und sich einfach neben Sofia stellte, wurde der Stresslevel für die so hoch, dass nichts mehr ging.

Ich nahm das Mädel also raus und setzte mich mit ihr in gebührender Entfernung auf die Wiese, damit sie runterfahren und sehen konnte, dass von der Truppe keine Bedrohung ausging. Als sie jedoch vo lauter Stress zu spucken begann (was sie schon seit Wochen nicht mehr getan hatte!), brach ich das Ganze komplett ab und verabschiedete mich.

Nun kam der nächste große Fehler:  statt denselben Weg zurückzulaufen, auf dem wir Radfahrern nicht ausweichen konnten, entschloss ich mich dazu, im Bogen um das Vereinsgelände rumzulaufen, über den Damm zu laufen und von dort aus auf die Hundewiese zu gehen.

Grundsätzlich war der Gedanke nicht verkehrt, weil Sofia dort ja andere Hunde treffen würde und im Freilauf entspannen konnte, was tatsächlich funktionierte. Auf Höhe des Klärwerks angekommen, musste ich aber halt irgendwie zum unserem Auto kommen. Das bedeutete, dass wir wieder den Damm überqueren und vom Wanderparkplatz auf der anderen Seite aus entlang des Vilicher Baches bis zum Wohngebiet laufen mussten.

Doch wie den Damm überqueren? Nach Feierabend waren nämlich  so viele Leute unterwegs, dass es ein stetes Kommen und Gehen war: Spaziergänger, krakeelende Kinder, Jogger, Radfahrer, Inlineskater… das Ganze untermalt vom Geräusch einer Kreissäge auf einer nahegelegenen Baustelle, von deren Existenz ich bis dahin nicht gewusst hatte.

Sofia zitterte mittlerweile am ganzen Körper, die Rute war eingeklemmt, die Augen aufgerissen und sie wollte nur noch Richtung Rhein flüchten. GANZ schlimm!

Ich zerrte Sofia schließlich rüber und rannte mir ihr auf den Parkplatz an parkenden und abfahrenden Autos vorbei. Und weiter ging es, den Bach entlang…. Autos und Radfahrer en masse. Irgendwann habe ich mich nur noch hilflos hingehockt, Sofia eng an mich gedrückt und ihr die Augen zugehalten, sobald wieder eine solches „Ungetüm“ auftauchte.

Als wir endlich am Auto ankamen, war ich klatschnass geschwitzt, hatte einen Puls von 180, zitterte und war völlig fertig mit den Nerven. Und mir ging es da sicher noch um einiges besser als meinem armen Mädchen, das selbst zuhause angekommen noch munter weiterkotzte. *kopfschüttel*

Tja… das bedeutet dann wohl, dass wir uns die Hundeschule in den nächsten Monaten knicken können, zumindest an schönen Tagen. So etwas muss Sofia nämlich ganz bestimmt kein zweites Mal durchleiden!

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4 Gedanken zu „Rückschritt

  1. Hmmm … vielleicht sollte sie es aber gerade durchleiden … mit einem Frauchen, dass einen guten Tag hat und dementsprechend Vorbild sein kann ? Bin da gerade etwas hin- und her gerissen.

    LG Frauke

    • Reizüberflutung bringt bei einem solchen Angsthund gar nichts… Sofia macht dann komplett dicht, orientiert sich weder an mir noch an den anderen Hunden).

      Wir können wirklich nur mit einer schrittweisen Annäherung weiterkommen. Ohne Druck.

      Fahrräder & Co. steckt sie weg, solange nicht zu viel auf einmal kommt, ich sie ableinen kann und sie sich ein paar Meter entfernt in Sicherheit hinsetzen kann, bis die „Gefahr“ vorbei ist. Dann machen wir Party und es gibt Superleckerchen. So hat sie sich auch schon überwunden und ist freiwillig bei uns geblieben, so dass das Rad recht dicht an ihr vorbei ist.

      Man muss sehr genau darauf achten, wie hoch der Stresslevel bei ihr ansteigt… ab einem bestimmten Punkt „läuft das Fass über“ und das war’s.

      Seufzend, Grazi

        • Das machen wir natürlich weiterhin!

          Gestern hatten wir einen sehr guten Tag: wir sind über den Damm von Meindorf nach Beuel gelaufen und dank des nicht allzu schönen Wetters waren nicht so viele Fahrradfahrer unterwegs. Obwohl wir Sofia nicht angeleint hatten, ist sie nicht – wie üblich – ein Stück den Damm runter und der „Gefahr“ ausgewichen, sondern hat sich mit uns an den Wegesrand gestellt, bis das Rad vorbei war…. um dann ganz langsam mit langem Hals schnuppernd ein Stück hinterherzugehen. Das ist ein Riesenfortschritt!

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